Dieser Artikel ist für alle, die schon mal in der Traurigkeit und Verzweiflung Trost gesucht haben UND alle, die einen anderen Menschen kennen, der trauert oder gerade in einer Lebenskrise steckt.
Es sind zwei Perspektiven, die wir alle schon einmal in unserem Leben eingenommen haben oder einnehmen werden: Zum einen die Perspektive des TROSTSUCHENDEN. Zum anderen die Perspektive des TRÖSTENDEN.
In diesem Beitrag gehe ich vor allem auf die zweite Perspektive ein: die Perspektive des Tröstenden. Ich höre immer wieder in Gesprächen, dass es viele Menschen gibt, die eine Trauernde Person in ihrem Umfeld kennen, aber nicht so wirklich wissen, wie sie damit umgehen sollen.
Warum?
Weil wir es in der Regel nie gelernt haben bzw. nicht wissen, wie wir Trauernden bewusst begegnen.
Was ist Trost?
Trost ist ein zentraler Aspekt in der Trauerbewältigung. Ein Akt der zwischenmenschlichen Zuwendung an jemanden, der trauert oder einen anderen seelischen oder körperlichen Schmerz zu ertragen hat.

Wann wünschen wir uns Trost?
Das kann der Trost nach dem Tod eines geliebten Menschen sein. Genauso das Trösten nach einer Trennung, nach einem Jobverlust, nach einem Umzug, nach dem Verlust von Idealen, Wünschen und Träumen oder Trost nach zwischenmenschlichen Konflikten, in einer Krankheit oder sonstigen schicksalshaften Erlebnissen.
Trost suchen
Dazu möchte ich mit Dir kurz ein Gedankenspiel mit Hilfe Deiner Vorstellungskraft machen. Stelle Dir einmal eine Situation vor, in der Du Trost suchst, Dich richtig mies fühlst, traurig, verzweifelt, voller Schmerz, vielleicht auch Wut und Tränen?
Wie Du eben gehört hast, die Situationen sind sehr vielfältig, in denen wir Trost suchen. Was ist es bei Dir jetzt in Deiner Vorstellung? Oder vielleicht auch real?
Und hör einmal in Dich hinein: Was würdest Du Dir in einer unmittelbaren Krisensituation am meisten wünschen?
- Ist es eine perfekte, rationale Lösung, ein Ausweg, wie Du jetzt sofort den Schalter umlegen kannst!?ODER
- Erstmal ein Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit, Halt und Getragenheit?
Trost spenden
Ok, jetzt drehen wir den Spieß um und wechseln die Perspektive: Du bist jetzt nicht mehr der Trostsuchende, sondern derjenige oder diejenige, die Trost spendet.
Stell Dir eine Situation vor, in der Du um Hilfe gebeten wirst, weil ein lieber Mensch von Dir gerade verzweifelt, traurig ist oder mit Tränen zu kämpfen hat.
Und hör wieder in Dich hinein, was glaubst Du: Wie könntest Du diesem geliebten Menschen in seinem Schmerz unmittelbar am meisten helfen oder ihn am meisten trösten? Ich gebe Dir hier als Unterstützung auch wieder zwei mögliche Szenarien an die Hand:
- Szenario 1: Du tröstest eher, indem Du die Situation analysiert und eine (perfekte, rationale) Lösung, ein Ausweg findest, wie der/die andere nicht mehr traurig ist?
ODER - Szenario 2: Du tröstest, indem Du einfach da bist, ohne einen inneren Zwang, etwas tun zu müssen, sondern Du schenkst dem anderen einfach nur Deine ungeteilte Aufmerksamkeit, hörst zu, fühlst mit, legst die Hand auf die Schulter, umarmst sie oder ihn und gibst Dich einfach hin; auch wenn der andere weiter traurig ist. Du kannst es akzeptieren und halten.
Puh, das geht ganz schön tief… und ja, das waren jetzt zwei Beispiele, die sehr schwarz und weiß malen. Aber sie helfen Dir zu verstehen, auf was ich im Folgenden hinaus möchte.
Handeln gegen unsere (unbewussten) Programmierungen
Wir sind darauf trainiert Lösungen zu finden. Doch wenn es um Trost und Trösten geht, dann dürfen wir auch akzeptieren, dass keine Lösung auch eine Lösung ist.
Friedrich Stratmann
Denn worum es bei Trost aus meiner Sicht wirklich geht ist: Da sein und die eigene Hilflosigkeit aushalten können!
Ok, das klingt jetzt erstmal paradox, doch bei genauerer Betrachtung auch wieder nicht. Und zwar genau dann, wenn wir uns erlauben hinter unsere gewohnten Muster und Programmierungen zu schauen.
Wie sieht so eine Programmierung aus?
Wir haben gelernt: “Trost ist gelungen, wenn der andere aufhört traurig zu sein”. Wir müssen etwas TUN, um zu trösten. Dazu zwei Beispiele:
- 1. Beispiel: Ein Kind schreit. Das Trösten war erfolgreich, wenn das Kind aufgehört hat zu schreien oder weinen. Man sagt dann zum Beispiel: “Du Brauchst nicht weinen, ist doch nicht so schlimm. Komm ich kauf Dir ein Eis!”
- 2. Beispiel: Ein lieber Mensch von Dir weint vor Verzweiflung und Dein erster Impuls ist, den anderen da rausreißen oder ablenken zu wollen: „Komm jetzt wir machen was Schönes, um Dich auf andere Gedanken zu bringen.“
Trost in der Ablenkung finden
Diese Aktionen können auch funktionieren – auch je nachdem wie tief der Schmerz ist. Dieses TUN, um Trost zu liefern, kann vielfältig sein, z.B. durch Gesten, Worte, Berührungen oder jede Art von Bewegung, in der Natur gehen, rennen, tanzen, an einen Ort gehen, der mit schönen Erfahrungen verbunden ist. All das kann Trost liefern.
Soweit so gut. Das hat alles seine Berechtigung und Gründe. Es liegt nahe, dass wir das Bedürfnis spüren, etwas TUN zu müssen, um den anderen aus dem Loch rauszuziehen, in dem er steckt, statt selber uns mit runterziehen zu lassen.
Angst vor dem Kontrollverlust überwinden
Doch warum liegt das eigentlich so nahe? Warum fällt es uns schwer, in das Loch mit einzutauchen, uns wirklich der Stimmung und den Empfindungen des anderen hinzugeben ohne uns dabei selbst zu verlieren UND ohne direkt das Bedürfnis zu spüren, ihn da rausholen zu wollen?
Die Antwort aus meiner Sicht ist: ANGST, Angst vor dem Kontrollverlust, Angst vor der Hilflosigkeit, Angst davor, den Schmerz und die Hilflosigkeit Halten zu können, zu zusehen wie ein anderer traurig, verzweifelt oder wütend ist und nichts TUN zu können!
Trauernden bewusst begegnen
Ich glaube, dass darin auch ein Grund liegt, weshalb sich viele schwer tun, mit Trauernden umzugehen und so nach einem Verlust manchmal sogar auch Freundschaften auseinander gehen.
Warum?
Vielleicht auch aus Angst, weil ich keine Lösung parat habe, ich kann es nicht kontrollieren, welche Gefühlslage gerade beim anderen vorherrscht und was es mit mir macht.
Dann dreht sich auch das Gedankenkarussell: “Boah, wenn ich jetzt anrufe oder hinfahre, dann zieht mich dass auch runter!” oder “Beim letzten Mal wollte er eh nichts von mir wissen als ich ihm was zur Ablenkung vorgeschlagen habe, dann bleib ich lieber fern.”
Doch ich glaube es gibt auch einen Weg Trost zu spenden, ohne das Gefühl zu haben, etwas TUN zu müssen, ohne dem anderen eine Lösung auferlegen zu wollen, weil wir uns verpflichtet fühlen, dem anderen die Traurigkeit zu nehmen.
Trost ist „Da sein“ und Hilflosigkeit halten können
Und so ist Trost für mich vor allem auch DAS: Da sein und den Kontrollverlust, die eigene Hilflosigkeit aushalten können!
Puh, das klingt vielleicht erstmal heftig. Doch lass mich Dir erläutern, was ich damit meine.
Trost spenden statt Trost machen
Die deutsche Sprache macht es uns in diesem Zusammenhang wunderbar vor: Ein Synonym für “trösten” ist Trost SPENDEN. Nicht Trost MACHEN oder Trost PRODUZIEREN, sondern Trost SPENDEN.
Spenden bedeutet für mich geben um der Sache willen, ohne etwas als Gegenleistung zu erwarten. Somit beinhaltet dieses Spenden von Trost auch eine Bedingungslosigkeit. Trost ist einfach da. Und ich glaube, dass darin das eigentliche Geschenk verborgen ist, das wir von Mensch zu Mensch in Zeiten der Trauer und Krise unserem Gegenüber machen können.

DU bist das Geschenk in der Trauer und Krise
Du kannst einem geliebten Menschen in einer Krisensituation Trost spenden oder schenken, indem DU einfach DA bist. Und zwar voll präsent im Hier und Jetzt, mit Deiner ganzen Aufmerksamkeit. Nicht noch im Gedanken bei der Arbeit, beim Abendessen, oder nebenbei am Handy. Du bist voll da und bereit, dich hinzugeben, zuzuhören und Tränen, Verzweiflung, Hilflosigkeit, Schmerz halten zu können.
Das bedeutet: Trösten ist aus meiner Sicht nicht gescheitert, wenn der/die andere nach der Begegnung mit Dir weiter traurig ist. Denn:
Trauer ist mehr als Traurigkeit. Es ist ein Transformationsprozess und zwar einer der individuellsten, die es überhaupt gibt.
Friedrich Stratmann
Deshalb mach Dir bewusst. Du weißt nie wo der andere gerade steht, welche Bedürfnisse gerade wichtig sind und welche inneren Ressourcen ihm/ihr zur Verfügung stehen.
Doch Du kannst Dich hingeben, die Hand auf die Schulter legen, den anderen in den Arm nehmen und signalisieren: Hey Ich bin da! Du bist nicht alleine! Du bist in Ordnung, auch wenn die Situation nicht in Ordnung ist. Du darfst Dich bei mir öffnen und sein wie Du bist!
Hingabe üben und alte Programmierungen loslassen
Ich weiß, es ist nicht leicht, die eigene Hilflosigkeit zu akzeptieren und halten zu können. Hingabe geht einher mit Kontrollverlust und dem Loslassen von alten Programmierungen. Denn Kontrolle abgeben, sich im Hier und Jetzt hingeben, das mag unser Verstand und das Ego gar nicht. Doch es ist möglich.
Das habe ich selbst auch erfahren und lernen dürfen. Wie oft habe ich in der Beziehung mit meiner Frau Lea im Tal der Tränen nach Lösungen gesucht, die Situation analysiert und einen scheinbar logischen Ausweg gefunden. Um dann zu realisieren: Das funktioniert so nicht, es macht keinen Sinn an meinem Ego festzuhalten, wenn Lea mir dann sagt: “Ich habe mir keine Lösung von Dir gewünscht, sondern einfach nur, dass Du mich in den Arm nimmst.”
Boom! Da bin ich mit Scheuklappen voll an die Wand gefahren. Wieder und wieder. Bis ich im Laufe der Zeit gemerkt habe: Es geht darum einfach da zu sein, präsent zu sein, sich ohne eigene Agenda im Kopf auf den anderen und auf das, was aus der Situation entsteht einzulassen – in dem Vertrauen, dass das in dem Moment alles ist, was zu tun ist.
Dein Weg in die Hingabe und ins Vertrauen
Ok, denkst Du Dir jetzt vielleicht, alles schön und gut, aber das ist gar nicht so leicht! Ja absolut, da bin ich ganz bei Dir. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Du diese Hingabe und das Vertrauen entwickeln kannst, indem Du Dich selbst ent-wickelst quasi wie ein Wollknäuel, um dahinter Deine wahre Essenz zu erkennen, indem Du…
- … Dich daran erinnerst, wer Du eigentlich bist ohne alle Deine Rollen, Prägungen und Programmierungen, die Dir antrainiert wurden.
- … Dir auch Deine eigenen Verletzungen und Wunden anschaust, die Du bisher in Deinem Leben erfahren hast.
- … Deinem eigenen verletzten inneren Kind Trost und Geborgenheit schenkst.
- … anstatt einfach darüber hinweg zu schauen und weg zu drücken, was Du nicht fühlen willst, Dich auch Deinen eigenen Gefühlen stellst.

Finde den Halt in Dir, um andere halten zu können
Der Schlüssel dafür ist: Selbstbegegnung, der Aufbau einer gesunden Beziehung zu Dir selbst. Das bedeutet mit Blick auf den Trost und das Trost spenden: Finde den Halt in Dir, um andere Menschen halten zu können.
Deshalb lade ich Dich abschließend ein: Schließe Frieden mit den Wunden und Verletzungen in Dir, um Hilflosigkeit und Kontrollverlust in der Beziehung mit anderen annehmen zu können. Denn ich glaube das größte Geschenk in Kontakt mit anderen Menschen ist – besonders in Zeiten der Trauer und Krise – dass Du voll Da bist, Dich wirklich einlässt, ohne Angst Dich zu verlieren und Du mit Dir verbunden ganz präsent bist im Hier und Jetzt.
Wo viel Schatten ist, da ist auch viel Licht. Manchmal dürfen wir uns auch intensiver mit den Schatten befassen, um dadurch das Licht noch viel klarer zu erkennen und selbst ein Leuchtturm für andere zu sein.
Ich freue mich, wenn dieser Artikel wertvolle Impulse für Dich in Zeiten der Trauer bereithält. Schreib mir gerne Deine Gedanken dazu in den Kommentaren.
Hier kannst Du die Podcastfolge zum Blogbeitrag im LEBEN. LIEBEN. LOSLASSEN. Podcast anhören.