Männer gelten in unserem Kulturkreis als das starke Geschlecht. Doch wenn es um Gefühle geht, dann werden wir als Mann oft schwach bzw. sind schlichtweg überfordert.
Warum ist das so?
Das kann unterschiedliche Gründe haben, zum Beispiel die eigenen Glaubenssätze, unsere archaische Programmierung und die Sozialisierung als Kind. Genauso gibt es auch wissenschaftliche Erklärungen, warum Männer aufgrund ihrer Hirnarchitektur einen schlechteren Draht zu ihren Gefühlen haben als Frauen.
In diesem Artikel stelle ich dir verschiedene Erklärungsansätze vor und nehme dich mit Beispielen aus meinem eigenen Leben mit in das Ringen mit den Gefühlen und der Trauer als Mann.
Wenn Männer trauern – Stark sein heißt nicht immer hart sein
Eins vorab: Ich tue mich schwer mit Pauschalisierungen, weil ich selber merke wie ich nicht dem typischen Männlichkeitsstereotyp entspreche und weiß, dass das auch gut so ist. Denn jeder Mensch und jeder Mann ist individuell. Und so kenne ich auch andere Männer in meinem Umfeld, die sehr gut über Gefühle sprechen können.
Genauso kenne ich Männer, denen es sehr schwer fällt, Gefühle zu zeigen oder darüber zu sprechen. Besonders in Grenzsituationen, wie beispielsweise nach einem Verlust oder in der Trauer.
Umgang mit Trauer als Mann
Das Ziel dieses Beitrag ist es, Dir neue Blickwinkel aufzuzeigen auf Männertrauer und den Umgang mit Gefühlen als Mann. Und wenn Du das jetzt als Frau liest, dann bin ich mir sicher, wird dieser Artikel auch viele AHA-Momente für Dich bereit halten. Denn ich glaube ein Mann, der Gefühle zeigt, ist nicht direkt ein Weichei.
Ich glaube, dass es auch möglich ist als Mann mit gelebten Emotionen eine starke Schulter zu sein.
Friedrich Stratmann, Trauerbegleiter
Und so möchte ich mit diesem Artikel Männer einladen, Emotionalität und Gefühle zu leben und zu zeigen.

Warum Männer oft schwerer Zugang zu Gefühlen finden
Ich habe eingangs bereits ein paar Gründe angedeutet, weshalb es Männern tendenziell schwerer fällt, Gefühle zu leben und zu zeigen. Im Folgenden möchte ich vor allem auf zwei Erklärungsansätze eingehen:
- Zum einen: die wissenschaftliche Perspektive – also, was uns die Hirnarchitektur des Mannes und die Trauerpsychologie über seinen Umgang mit Gefühlen und Trauer verrät.
- Zum anderen: die archaische und sozio-kulturelle Perspektive – sprich: welche unbewussten Programme und Glaubenssätze dazu führen, dass beim Mann in emotionalen Grenzsituationen ein bestimmtes Verhalten getriggert wird
Am Ende dieses Beitrags wirst Du erkennen wie beides doch irgendwie auch zusammenhängt.
Alles nur ein Hirngespinst?
Also lass uns zuerst auf die wissenschaftliche Betrachtung der Männerpsyche und des männlichen Gehirns schauen.
Das männliche Gehirn ist in seinen beiden Hälften weniger verschaltet als das weibliche und arbeitet vergleichsweise asymmetrisch. Das bedeutet, dass bei Männern tendenziell die linke Hirnhälfte aktiver ist, die zuständig ist für logisches und analytisches Denken und weniger mit der rechten Hirnhälfte zusammenarbeitet, wo Emotionen und Intuition verortet sind.
Die Folge ist, dass Männer aufgrund dieser Hirnarchitektur einen schlechteren Draht zu ihren Gefühlen haben und diese nicht so gut identifizieren und verbalisieren können wie Frauen. Männern fehlen oft schlicht die Worte dafür.
Bewältigungsstrategien in der Trauer nutzen
Wir lenken uns lieber ab! Männer stürzen sich öfter in Arbeit und haben die Tendenz eher vor der Trauer weg zu laufen. Sie leben ihre Trauer oft nicht offen aus und kommunizieren weniger über ihre Trauer als Frauen. Aus diesem Grund werden sie auch weniger gefragt. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Schmerz weniger ist. Auch wenn es nach außen hin anders scheinen mag.
Die Psychologie zeigt auch, Männer können ihre Coping-Strategien, also ihre Bewältigungsstrategien, schneller wieder nutzen.
Mein Umgang mit Trauer nach dem Verlust meines Vaters
Dazu möchte ich Dir ein Beispiel aus meinem Leben geben: Ich war 13 als sich mein Vater suizidierte. Ich weiß nicht mehr wie ich auf die Nachricht seines Todes an diesem Abend im Juli 2005 reagiert habe. Was ich weiß ist: Am Tag danach ging ich wieder normal in die Schule und stand mittags auf dem Tennisplatz, um für meine Junioren-Mannschaft ein Match zu gespielt. Die Jahre danach waren die erfolgreichsten in der Schule bis zum 1,0 Abi und Pokalen im Tennis und Akkordeon.
Da war einerseits eine unglaubliche Resilienz da, eine große mentale Stärke und wertvolle Ressource, die mich wie ein Phönix aus der Asche aufsteigen ließ. Andererseits habe ich mich bis vor wenigen Jahren emotional nie wirklich mit dem Verlust auseinandergesetzt. Ich habe nie wirklich mit anderen darüber gesprochen, auch nie groß Gefühle zugelassen. Die waren irgendwie wie weggesperrt.

Ich habe vorhin davon gesprochen, dass es uns Männern mit Blick auf die Hirnarchitektur und Trauerpsychologie tendenziell schwerer fällt, Gefühle zu zeigen und zu verbalisieren. Sprich:
Statt Trauer zuzulassen und zu zeigen, stürzen sich Männer öfter in Arbeit oder trauern im Stillen.
Soweit so gut. Dass die Hirnarchitektur des Mannes sich so entwickelt hat und die Männerpsyche diese Muster aufweist, hat auch mit tieferen Zusammenhängen auf Bewusstseinsebene zu tun.
Archaische Programmierung und Sozialisierung von Männern
Die zweite Perspektive, die ich dieser Folge im Zusammenhang mit Männertrauer erläutern möchte ist deshalb die archaischen Programmierung und Sozialisierung von Männern in unserem Kulturkreis. Diese oft unbewussten Programme kommen in Zeiten der Trauer verstärkt zum Vorschein.
Emotionale Kontrolle gilt im Männlichkeitsstereotyp als Ausweis von Stärke und Überlegenheit. Männer sind hart im nehmen, kühl und abgeklärt, wenn es hart auf hart kommt. Die starke Schulter zum Anlehnen auch in der Krise. Das ist ein archaisches Programm, das in uns verankert ist. Ein Mann der Gefühle zeigt gilt häufig als schwach und Weichei.
„Ein Indianer kennt keinen Schmerz“
Auch bei der Sozialisierung von Kindern und Jugendlichen, werden Jungen nicht unbedingt dazu ermutigt, über ihre Gefühle zu sprechen, im Gegenteil, sie werden dazu ermutigt, ihre Gefühle zu kontrollieren.
Zum Beispiel bekommt der schreiende Junge, der mit blutigen Knien zur Mutter rennt zu hören: “Ach komm, ist doch nicht so schlimm. Ein Indianer kennt keinen Schmerz.” Nach dem Motto: “Augen zu und durch.”
Prägende Glaubenssätze aus der Kindheit und Jugend
Somit wird der Samen bereits in der Jugend gesät und daraus erwachsen später Glaubenssätze, die es erwachsenen Männern erschweren, Gefühle zu zeigen und darüber zu kommunizieren.
Beispiele für solche Glaubenssätze sind: “Männer weinen nicht.” Oder: “Ich muss jetzt stark sein.” Genauso wie: “Über Gefühle spricht MAN(N) nicht.”
Männer in der Trauer – Lieber Handeln statt Reden
Darüber hinaus sind Jungen stärker bewegungs- und außenorientiert, was durch den höheren Testosteronspiegel bedingt ist, der auch für Aggressivität und Dominanzstreben verantwortlich ist. Auch deshalb handeln Männer tendenziell lieber als dass sie reden. Wenn sie reden, dann nicht, um sich mitzuteilen, sondern um Informationen auszutauschen oder sachliche Probleme zu lösen.
Wir haben es oft einfach nicht gelernt über Gefühle zu sprechen und dadurch eine Selbstwirksamkeit zu erfahren. Daher wundert es nicht, wenn Männer tendenziell eher vor der Trauer weglaufen als sich bewusst ihren Gefühlen zu stellen.
Doch es gibt auch einen anderen Weg
Doch ich habe die Erfahrung gemacht, dass es möglich ist. Es ist ein Weg, ein Lernprozess, der zugegeben nicht leicht ist. Doch es lohnt sich! Und es ist nie zu spät dafür. Auch wenn der Verlust schon Jahre oder Jahrzehnte zurückliegt.
So war das auch bei mir. Erst mit über zehn Jahren Abstand nach dem Tod meines Vaters ist der Gefühlspanzer bei mir Stück für Stück geplatzt und ich durfte lernen, mich bewusst mit meiner Trauer und den dahinter liegenden Gefühlen wie Scham, Schuld und Wut auseinander zu setzen – sprich also auch neue neuronale Verknüpfungen in meinem Hirn legen und neue Glaubenssätze verankern, die meinem Verstand signalisieren: „Hey, es tut nicht weh über Gefühle zu sprechen. UND: Ich gehe daraus noch viel stärker hervor als zuvor!„
Und das ist der Fall, wenn Kopf und Herz, Ratio und Emotio in der Tennissprache gesprochen gemeinsam Doppelspielen anstatt sich im Einzel zu duellieren.
Trauer als Chance für Männer, Stärke von innen heraus zu entwickeln
Ich glaube, dass darin auch die wahre Stärke des Mannseins steckt und der Umgang mit Trauer bietet dafür ein ideales Trainings- und Lernfeld.
Stark sein heißt nicht nur hart sein. Genauso ist es aus meiner Sicht keine Schwäche, sich als Mann auch weich und verletzlich zu zeigen.
Friedrich Stratmann, Trauerbegleiter

Gefühle leben und zeigen – gerade in der Trauer
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man als Mann auch mit gelebten Gefühlen eine starke Schulter sein kann. Der Zugang zu Deinen Gefühlen und das ehrliche Sprechen darüber gibt Dir eine tiefe Stärke und Präsenz von innen heraus, die Du vorher noch gar nicht kanntest. Das gilt aus meiner Sicht für Männer und Frauen gleichermaßen.
Deshalb möchte ich Dich abschließend einladen, Deine Gefühle ehrlich zu leben und zu zeigen – auch und gerade in der Trauer und Krise.
Fazit: Männertrauer – Was bewegt sich jetzt in Dir?
Das waren meine Gedanken zur Männertrauer und dem Umgang mit Gefühlen als Mann. Ich hoffe dieser Beitrag hat Dir neue Blickwinkel auf dieses Thema schenken können.
Schreib mir gerne in den Kommentaren, was dieser Beitrag in Dir bewegt und wenn Du zu diesem Thema in Zukunft noch mehr erfahren möchtest.
Wenn Du bei Dir jetzt merkst, Mensch, da ist bei mir eine Blockade, ich merke ich komm nicht an meine Gefühle ran. Da ist etwas, was mich zurückhält und ich wünsche mir mehr Klarheit und Mut im Umgang mit meinen Gefühlen – dann schreib mir und sichere dir ein kostenfreies Erstgespräch mit mir.
Und wenn Du das Gefühl hast, da draußen gibt es noch mehr Männer, denen diese Impulse gut tun würden, dann lade ich Dich herzlich ein, den Beitrag in Deinem Umfeld zu teilen.
Hier kannst du dir den Beitrag auch im LEBEN. LIEBEN. LOSLASSEN. – Podcast anhören.